Die Allgemeinheit sieht es ein wenig anders (der Mainstream hat eben einen fürchterlichen Geschmack, anders ist das nicht zu erklären), doch für mich ist Aragami 2 ein ernsthafter Kandidat für mein Game of the Year. Warum? Weil es nicht wie sein Vorgänger ist. Dort beklagte ich noch das Fehlen eines Tenchu-Nachfolgers, legte aber auch Hoffnung in den zweiten Teil:
Trailer versprechen gerne mehr als das fertige Spiel liefert, doch in diesem Fall wurden meine Erwartungen pflichtbewusst erfüllt. Ich habe meinen spirituellen Nachfolger zu Tenchu Z erhalten und bin sehr zufrieden.
Tenchu Z mag nicht die Speerspitze der Serie gewesen sein, dennoch zog ich viel Vergnügen daraus, die gleichen zehn Level in unzähligen Missionen mit anderen Zielen und Gegnerverteilungen wahlweise wie ein Geist von niemandem bemerkt meine Checkliste abzuarbeiten oder wie ein flüsterleiser Dämon unterdessen literweise Feindblut zu vergießen. Aragami 2 erbt das agile Movement von seinem Paten, was es zum reinsten Vergnügen macht durch die Level zu fegen.
Auch wenn jede Kritik auf diesem Punkt herumreitet, weicht man hier eigentlich nicht wirklich von Genrestandards ab (ob diese jetzt niedrig sind oder nicht lassen wir an dieser Stelle mal unbeleuchtet): Nur weil es jetzt ein – erwartungsgemäß nicht sehr ausgefeiltes – Kampfsystem gibt heißt das nicht, dass man dieses auch nutzen sollte. Wer viel Freude aus Schwertduellen zieht ist hier beim falschen Spiel. Beim ungesehen bleiben liegt hier der Spielspaß und da liegt der Hase im Pfeffer Ninja im hohen Gras. Wer erwischt wird, startet den Auftrag besser neu oder gibt Fersengeld: Taktischer Rückzug ist Mittel der Wahl und keine Schande.
Kooperatives Spielen ist auch mit bis zu drei Mitschleichern möglich und ist nicht weniger unterhaltsam. An den Missionen ändert sich dadurch nichts, man saust also in der Regel deutlich rasanter durch die Map, was zumindest mir auch mal andere, schnellere und vor allem waghalsigere Spielweisen eröffnete. Oft genug kommt es vor, dass man dadurch beim Meucheln einen Feind alarmiert, der jedoch noch rechtzeitig und unabgesprochen von einem Mitstreiter um die Ecke gebracht wird. Sauberes Teamwork ergibt sich gehäuft einfach aus dem Spielfluss.
Letztendlich, wir reden hier immerhin von einem 35 €-Spiel eines Studios mit etwa 20 Mitarbeitern, ist das Spiel für mich als Fan exakt dieser Genreausprägung locker eine 10/10. In meinen (bisher) 40 Stunden damit hatte ich, wie der Angelsachse sagt, einen absoluten blast und wünsche mir weitere Inhalte in diese Richtung, sei es DLC oder einen Nachfolger. Ich hoffe darauf, dass dieses Spiel in seiner kleinen Nische dafür erfolgreich genug sein wird.