Ich war ja damals ab Veröffentlichungstag (in Europa also ab 3. Mai 2002, lange ist's her) ein GameCube-Nutzer, später kaufte ich mir – hauptsächlich für Metal Gear Solid 2 und 3 – eine PlayStation 2 hinterher. Eine Xbox (heute unter Kennern gerne mit dem Zusatz Classic, weil Microsoft das mit der Benennung nicht so drauf hat) besaß ich jedoch nie. Bis jetzt. Eine nette Dame auf dem Flohmarkt hatte für einen guten Kurs ein paar Konsolen ihres Sohnes inklusive Zubehör und ein paar Spielen abzugeben, also schlug ich zu.
Endlich daheim angekommen – das Teil über den Flohmarkt und anschließend ohne Auto zurück nach Hause wuchten war ein unbequemer Kraftakt – wurde das gute Stück natürlich erstmal gut geputzt und ausprobiert. Die freundliche Mutter hatte recht, die Xbox war tatsächlich funktionstüchtig. Nächster Schritt: Öffnen und schauen, ob das auf absehbare Zeit auch so bleibt.
Die Aufkleber und das Typenschild auf der Unterseite waren noch intakt, also ist dieses Gerät noch nie geöffnet worden. Da kam direkt eine Frage auf: Was hat Microsoft bei Reparaturen gemacht? Eine Schraube liegt unter dem Typenschild mit der eindeutigen Seriennummer, haben sie sich nach getaner Arbeit die Mühe gemacht, für jede Xbox einen neuen Aufkleber anzufertigen, oder wurden die verdeckten Schrauben mithilfe eines kleineren Siegels einfach wieder verplombt? Naja, egal.
Jedenfalls lag die Xbox bald in Einzelteilen vor mir. Gerade das Mainboard verdiente einen genaueren Blick: Es handelte sich um die Version 1.4 – Ich hatte also einen ausgezeichneten Griff mit diesem Exemplar gemacht, denn dieses Modell lässt sich gut modifizieren.
Also weiter im Text: Ein bestimmter Kondensator, zuständig für die Zwischenspeicherung der Uhrzeit, ist für seine schlechte Qualität berüchtigt und es ist nur eine Frage der Zeit, bis er ausläuft und mit seiner alkalischen Flüssigkeit Schäden auf dem Mainboard verursacht. Dieser hier zeigte an der Oberseite zwar bereits Zeichen eines Defekts, aber es war noch nichts bis zur Platine heruntergesifft. Erfreulicherweise kann man ihn ersatzlos entfernen, denn erstens liefert er nur für einige witzlose Stunden nach Verlust der Stromversorgung Energie um die Uhrzeit zu speichern und zweitens rüsten Softwaremods NTP-Fähigkeiten nach. Hat die Xbox in Zukunft also eine Verbindung ins Internet, besorgt sie sich die richtige Zeit selbst. Kleines Detail am Rande: Bei einem neueren Modell, der Version 1.6, hätte der Kondensator getauscht werden müssen, denn dieses startet ansonsten gar nicht erst.
Als nächstes tauschte ich die drei Kondensatoren unter der CPU aus (mehr Info, wen es interessiert), von denen sich zwei auch bereits wölbten. Der Rest sah noch gut aus, also beließ ich es dabei. Mit dem Lötkolben in der Hand noch schnell zwei Brücken aufs Board gezaubert, um den Schreibschutz des TSOP-Chips zu deaktivieren, der das BIOS enthält. Damit war die Hauptplatine soweit fertig und konnte wieder zurück ins Gehäuse wandern.
Nach einem kurzen Funktionstest konnte es nun also ans Eingemachte gehen: Das originale BIOS der Xbox durch Cerbios ersetzen. Dieser Eingriff "öffnet" die Xbox insofern, dass wir in Zukunft etwa einfach die Festplatte (auch gegen deutlich größere als ursprünglich angedacht) auswechseln können, ohne uns darum Gedanken machen zu müssen, dass diese mit der Seriennummer der Konsole verheiratet sein muss, oder wir haben dann bessere Möglichkeiten der Recovery, etwa einen FTP-Zugang auch ohne funktionsfähiges Dashboard. Gutes Zeug, das möchte man haben.
Ich erspare euch an dieser Stelle langwierige Details über Exploits auf USB-Sticks, die mit einem speziellen USB auf Xbox-Controllerportadapter als Memorycards formatiert werden müssen. Wer es genauer wissen möchte, findet in den Links oben alle nötigen Infos. Vielleicht nur so viel: Die Suche nach einem kompatiblen USB-Stick kann sich als schwieriger als erwartet gestalten, denn es muss sich um ein älteres Fabrikat handeln (ja, auch dafür gibt es eine Liste), mit neueren kann die Xbox nicht umgehen. Ich habe einige Sticks durchprobieren müssen, und tatsächlich war es dann auch wirklich der letzte mögliche Kandidat, der endlich zum Erfolg führte. Ich hatte bei diesem Projekt echt mehr Glück als Verstand.
Passend dazu hatte ich hier noch eine 500 GB-Festplatte rumliegen, die ich mit FATXplorer Xbox-gerecht vorpartitionierte und mit ein paar nützlichen Programmen und Dashboards ausstattete. Ein neues 80-poliges IDE-Kabel und ein IDE auf SATA-Adapter überbrückten die Technikdifferenz und in Verbindung mit Cerbios könnte die betagte Konsole sogar mit Terabytes an Festplattenkapazität umgehen. Damit steht jede Menge Platz für Spiele zur Verfügung. Wer sich nicht erinnert: Die Xbox wurde ursprünglich mit einer 8 GB-Festplatte ausgeliefert. Ich liebe es, wenn alte und neue Technik derart ineinandergreifen.
Damals war es (noch) nicht vorgesehen, Spiele von der Festplatte zu starten, deswegen musste ich die Benutzeroberfläche, das Dashboard, ebenfalls modifizieren. Es stehen einige Alternativen zur Auswahl, unter anderem Oberflächen, die etwas an die spätere Xbox 360 erinnern und mit schicken Covergrafiken für die Spiele aufwarten. Ich selbst bin ein Freund der angestammten Ästhetik, daher entschied ich mich für UIX-Lite, eine Erweiterung des originalen alienmäßig-grünen Dashboards. Ungeübten Augen dürfte nicht einmal auffallen, dass die Konsole derart modifiziert ist, alles fügt sich ohne sichbare Nähte zusammen.
Insgesamt, also für die Kondensatoren, das IDE-Kabel, den SATA-Adapter, das Controllerportkabel und einen Molex-Splitter, den ich am Ende nicht gebraucht habe, waren für die Modifikationen inklusive Versand aus China keine 20 Euro fällig. Gut, die Festplatte und den USB-Stick hatte ich noch parat, aber wozu bleibt man auch sonst so lange auf diesem Krempel sitzen?
Es macht immer wieder Spaß sich mit Konsolen auseinanderzusetzen, die man damals selbst nicht hatte. Tatsächlich muss man nicht einmal auf Multiplayer verzichten, denn obwohl das ursprüngliche Xbox Live 2010 abgeschaltet wurde, gibt es inzwischen Ersatz aus der Community: Insignia schickt sich an den Service wiederaufleben zu lassen. Also demnächst mal eine Runde Halo 2 online, oder was?