Reparatur durch Kaputtmachen

Ich vermisse seit geraumer Zeit mein NES. Vermutlich verschanzt es sich irgendwo im Keller, aber selbst nach mehreren Suchaktionen fehlt von ihm jede Spur. Vielleicht war es mittlerweile einfach an der Zeit, sich nach einem Ersatz umzuschauen.

Auf dem Flohmarkt begegnete ich kürzlich einem Verkäufer mit einem wenn schon nicht riesigen, dann aber doch zumindest ansehnlichen Retrogames- und Konsolensortiment. Soweit ich sehen konnte, waren seine Waren ausnahmslos in einem sehr guten kosmetischen Zustand, sauber eingepackt sowie organisiert und die Preise erfreulich günstig – es dauerte einen Moment bis ich begriff, dass die kleinen Aufkleber mit den Zahlen tatsächlich Preisschilder und keine Inventarnümmerchen oder ähnliches waren.

Das NES auf seinem Tisch lächelte mich an, ich lächelte schüchtern zurück. Der Verkäufer erklärte mir, während ich an meinem Portemonnaie herumfummelte, dass der Federmechanismus des Frontloaders etwas zickig sei, das Gerät aber ansonsten funktioniere, sämtliche Kabel und zwei Controller inklusive. Für den Preis hätte ich auch das leere Gehäuse gekauft (nur wenig übertrieben), aber das musste er nicht wissen. Ich nahm noch ein wirklich gut erhaltenes Super Mario Bros. mit und zog innerlich preifend von dannen. Im Nachhinein hätte ich mindestens noch ein Tetris eintüten sollen, aber naja.

Keine zehn Minuten später erblickte ich an einem anderen Stand ebenfalls ein NES, aus der Ferne begutachtet in einem ähnlichen Zustand wie meins. Zuerst wollte ich gar nicht erst wissen wie viel der Händler dafür verlangte, letztendlich siegte jedoch die Neugier. Es stellte sich heraus, dass mein Deal besser war, denn er verlangte das Dreifache dafür. Puh, Glück gehabt. Überhaupt waren auf diesem Flohmarkt ungewöhnlich viele gute (Retro-) Spiele, Konsolen und Handhelds vertreten. Wäre Geld kein Faktor, hätte ich dort mehrere Bollerwagen voll mit exquisitem Zeug vom Platz zerren können.

Zuhause wische ich meine Beute noch mal ordentlich ab und schließe sie an einen zum Glück noch mit Composite Video-Eingang ausgestatteten Fernseher an. Super Mario Bros. gleitet in den Modulschacht und nach einem kurzen Kampf mit der Mechanik rastet das Spiel ein. Die Spannung steigt, ich betätige den Ein/Aus-Knopf. Die rote LED blinkt, es erscheint zwar ein Bild auf dem Fernseher, verschwindet aber nach etwa einer Sekunde. Und kommt wieder. Und wieder weg. Da, weg, da, weg. Mist.

In dem kurzen Moment mit Bild kann ich auf dem Controller mit Select den Cursor des Startbildschirms auf "2 PLAYER GAME" bewegen, nach dem Schwarzbild steht er wieder auf der Grundposition. Mein Spinnensinn klingelt und verrät mir, dass dieses Problem nichts mit dem Videosignal zu tun hat, sondern dass die Konsole sich ständig zurücksetzt.

Dieses "Red Blinking Light of Death" rührt daher, dass die Konsole das Spiel nicht richtig lesen kann. Dafür gibt es hauptsächlich zwei Ursachen, also schnappe ich mir meinen Schraubendreher und verhelfe der Konsole dazu, ihr Innerstes nach außen zu kehren.

Damals – 1985 – hat Nintendo noch nicht alle seine Geräte mit Gamebit-Schrauben vor bastelwütigen Kunden zu schützen versucht, hier kamen noch die seit bald einem Jahrhundert bewährten Philipsschrauben zum Einsatz, davon dann aber auch viele und bis auf zwei sogar alle in einer Größe. Das NES ist gebaut wie ein Panzer, das waren noch Zeiten!

Eine Sache, bei der Nintendo aber noch großzügiger war als bei den Schrauben waren die Bohrlöcher für selbige. Dies führte in diesem Fall dazu, dass in der Vergangenheit jemand diese Konsole bereits einmal demontierte und an einigen Stellen wieder falsch zusammensetzte. Der Stabilität des Geräts schadete dies zwar nicht, aber in der Folge stehen einige Bauteile unter ungewollter mechanischer Spannung. Damit wäre dann nämlich auch das Geheimnis des unzuverlässigen Lademechanismuses gelüftet, da sich die Haltevorrichtung für die Spielkassette unter dem Druck verformte und die Feder beeinträchtigte. Glücklicherweise ist dieser Fauxpas reversibel und bedarf keiner weiteren Ersatzteile.

Ich arbeite mich weiter voran und halte kurz darauf nur noch das nackte Mainboard in den Händen. Der 72 Pin Connector, das Gegenstück zu den Kontakten der Spielecartridges, sieht oberflächlich nicht nach einem Problem aus. Kein Dreck, keine Korrosion und auch sind sonst keine physichen Beschädigungen sehen. Vielleicht ist er auch nicht mehr original, die Kontakte des Motherboards sehen etwas verschlissen aus, als ob der ziemlich stramm sitzende Connector mehrfach ab- und wieder angesteckt wurde. Behutsam reinige ich alles mit Isopropanol und setze die Teile wieder zusammen. Ich bin zuversichtlich dass hier alles in Ordnung ist und verzichte auf eine Messorgie mit dem Multimeter.

Bleibt noch der zweite Verdächtige: Der Lockout Chip. Nintendo stattete das NES mit einem Mechanismus aus, um das Abspielen unlizensierter Software zu verhindern. Dummerweise fallen diese Chips gerne aus, was nach bald 40 Jahren aber auch nicht der schockierenste Vorgang ist. Zum Glück ist der Fix denkbar einfach: Mithilfe eines Seitenschneiders den vierten Pin durchtrennen reicht aus um das Problem nachhaltig zu umschiffen.

Jetzt bleibt nur noch, den grauen Kasten wieder behutsam zusammenzubauen und dabei nicht die Fehler meines Vorgängers zu wiederholen. Nach wenigen Minuten klemmt das Ding wieder am Fernseher und die Spannung steigt erneut. Alles gut. Das Spielmodul rastet im Schacht ein als käme die Konsole gerade aus der Originalverpackung und der Spuk des Dauer-Resets hat ein Ende. Und ich musste noch nicht einmal Ersatzteile bestellen. Ende gut, alles gut.

Naja, fast: Hätte ich doch nur Tetris auch noch mitgenommen, argh.