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Seit 2013 habe ich durchgängig einen mal mehr, mal weniger üppigen Strauch (höhö) von Raspberry Pis unterschiedlichster Generationen in meinem Heimnetzwerk im Einsatz und war die meiste Zeit auch recht zufrieden damit. Sie sind – oder waren es zumindest vor der Pandemie, dazu kommen wir noch – recht günstig zu haben, im Stromverbrauch äußerst genügsam (anstelle einer Energiesparlampe kann ich zum Teil mehrere Pis betreiben!) und auch aufgrund ihrer kompakten Maße vielseitig einsetzbar: Werbeblocker, VPN-Gateway, Emulator für Retrokonsolen, Printserver für 3D-Drucker sind nur einige Dinge, die ich im Laufe der Zeit selbst nutzte oder auch heute noch im Einsatz habe.

Pis senken die Einstiegshürde fürs Basteln und Programmieren drastisch (kein Wunder, dafür wurden sie auch ursprünglich mal erdacht), aber früher oder später stößt man als halbwegs ambitionierter Frickler an die Grenzen der kleinen Wunderkisten, hier nur mal meine persönlichen Schmerzpunkte:

  1. Der Arm-Prozessor. Stromsparend und günstig, aber längst nicht jede Software ist ohne weiteres darauf lauffähig, dafür ist die Vormachtstellung von herkömmlichen x86ern, zumindest momentan, noch zu groß. Für mich war das im Laufe der Jahre längst nicht so ein großes Problem wie es vielleicht klingt, aber eins, zwei Male habe ich aufgrund dessen in die Röhre schauen müssen.
  2. Die SD-Karte. Die längste Zeit waren die langsamen und verhältnismäßig fragilen Speicherkarten die Achillesferse dieser Geräte. Mir persönlich ist zwar nur eine (und das auch noch bei meinem allerersten Pi, direkt bei der ersten Inbetriebnahme) krachen gegangen, richtig getraut habe ich der Sache aber nie wieder. Immerhin wurde ich so direkt zu regelmäßigen Backups erzogen. Irgendwann kam endlich die offizielle Möglichkeit von USB zu starten, was bei einem Pi 4 mit seinen USB 3-Schnittstellen auch im Rahmen des Erwartbaren performt und auch gleich die Überleitung zum nächsten Punkt ist:
  3. I/O: Wie gut bekommt man Daten rein und raus? Wenn ich mich recht entsinne, hat erst der Raspberry Pi 4 USB 3-Anschlüsse und Gigabit Ethernet (standardisiert in 1999, just saying) spendiert bekommen, alle vorherigen Modelle mussten sich mit USB 2 und Fast Ethernet (100 Mbit/s! So mancher Internetanschluss ist heutzutage schneller!) begnügen.

Klar, für meinen ersten Pi habe ich 2013 gute 70 € bezahlt, und das sogar noch inklusive Zubehör wie ein Gehäuse, Netzteil, Ethernetkabel und SD-Karte. In meiner Erinnerung war lag das Urmodell alleine so etwa bei 35 €. Bei solchen Preisen darf man auch wirklich nicht meckern, man bekam für ein Taschengeld eine rückwirkend betrachtet revolutionäre Plattform geliefert.

Die Nachfolgemodelle wurden dann sukzessive leistungsfähiger, aber auch teurer. Fast Forward ins Jahr 2020, in dem ich ein RPi 4 mit 4 GB RAM (ja genau, der eine oder andere erinnert sich möglicherweise) für knapp unter 60 € bestellte. Eine ganz schöne Investition, dachte ich damals. Heute jedoch, immer noch dank Pandemien, Lieferkettenproblemen, Kriegen und hier und da sicherlich auch Profitgier auf unterschiedlichsten Ebenen, kostet dieses Modell einfach mal fast 200 €. Zweihundert, für das selbe Modell. Was zum Teufel?

An dieser Stelle kommt man natürlich ins Grübeln. Kaufe ich noch einen Pi, oder für das gleiche Geld vielleicht einen wiederaufbereiteten Businessrechner? Diese Dinger wurden in irgendwelchen Unternehmen mal angeschafft oder geleast und nach dem Abschreibungszeitraum an eine Bude weiterverscheuert, die noch mal mit einem Lappen drübergeht, die Geräte auf Funktion prüft und sie (mit Gewährleistung, wohlgemerkt) günstig anbietet.

Ich bin da ein Fan von. Zum einen bekommt man dort 1A-Ware in astreinem Zustand – diese Rechner stehen ein paar Jahre in einem Büro rum und werden praktisch nur am Ein/Aus-Schalter berührt, sind daher kosmetisch praktisch wie neu – sowie top Verarbeitungsqualität: Das sind zum Teil Arbeitstiere mit wasweißichfürwelchen Zertifizierungen für den Betrieb an widrigen Orten in Industrieanlagen oder auch beim Militär. Zum Anderen schont es die Umwelt, wenn man bereits hergestellter Technik zu einem zweiten Leben verhilft. Denkt doch mal an diese armen Dinger!

Jedenfalls habe ich mit so einem zwar robusten, aber den gängien Standards entsprechendem Gerät nicht mit den Einschränkungen eines Raspberry Pis zu kämpfen und bekomme, zumindest aktuell, zu einem sehr ähnlichen Preis (oder bei Bedarf auch beliebig teurer, selbstverständlich) ein um Klassen leistungsfähigeres Gerät. Einen Abstrich muss man wohl in jedem Fall beim Stromverbrauch machen, wenn auch vielleicht keinen besonders großen, wenn man sowieso bereits mehrere Pis mit externen Festplatten im Einsatz hatte.

Jetzt steht hier also ein Lenovo ThinkCentre, der zwar nicht ganz so winzig wie ein Pi, aber für einen "Standardrechner" trotzdem super klein ist, der mit Proxmox VE als Hypervisor sämtliche Dienste meiner Pis in Virtuellen Maschinen und Linux Containern abdeckt und dabei leistungsmäßig noch viel Raum für Experimente sowie Neues liefert. Dabei zieht er im Leerlauf, in dem sich ein System dieser Art typischerweise den Großteil seiner Zeit befindet, nur überraschende 6,5 – 8 Watt. Ein Gewinn auf allen Spielfeldern.

Zwar konzentriert sich jetzt alles wieder mehr auf einen einzelnen Single Point of Failure, aber dank Techmagie ist es in einem solchen Setup ein Leichtes automatisierte Backups anfertigen zu lassen und so in einem Fehlerfall schnell wieder am Start zu sein. Als Hobbyist kann ich eine Downtime von ein paar Tagen, während ich auf die Lieferung eines Ersatzteils warte, durchaus verkraften. Ansonsten wäre es mit Proxmox ein Kinderspiel, einfach noch weitere Nodes an den Cluster anzuschließen und damit Hochverfügbarkeit zu realisieren, aber dazu komme ich irgendwann vielleicht mal. Erste Experimente waren schon sehr vielversprechend.

Da ich jetzt die Kapazitäten habe um schnell alles umzubauen oder Neue Dinge auszutesten ohne dabei Geld bei einem Cloudanbieter für Test-VMs einwerfen zu müssen und gleichzeitig der Bedarf nach Automatisierung und Monitoring wächst, werde ich mich wohl demnächt noch etwas weiter in Ansible einarbeiten und mir fortgeschrittene Tools wie Prometheus und Grafana nochmal genauer ansehen. Vieeeeeleicht gibt es auch dazu hier irgendwann noch mehr zu lesen. Ganz vielleicht, keine Versprechen.