Es gibt meines Eindrucks nach zwei Arten von Slipknot-Fans: Die mit Geschmack und die doofen. Ich gehöre wohl zur zweiten Gruppe, denn ich fand den Sound des Nonplusultras Iowa (2001) schon immer blöd und All Hope Is Gone (2008) super. Jetzt ist es raus, verklagt mich doch.
Jedenfalls scheint The End, So Far die Fans zu polarisieren – ein Teil freut sich über den experimentellen und evolutionären Charakter des Albums, die anderen kritisieren die "hastig zusammengeworfenen Songs" oder "den weichgespülten Butt Rock" und hätten nach zwanzig Jahren eigentlich sowieso Iowa 2 erwartet. Manche sehen es als einen Mittelfinger an das Plattenlabel Roadrunner Records, dessen Plattenvertrag mit diesem Album zum Ende kommt und seitens der Band aus Unzufriedenheit wohl nicht wieder aufgenommen wird (Falls es nicht auffällig genug ist: Daher rührt möglicherweise auch der Titel).
Wir machen uns lieber selbst ein Bild vom Ton, tippen auf play und spitzen die Ohren:
- Adderall. Mein erster Gedanke: Was zum Teufel? Das Ding hat mich ganz kalt erwischt, werden hier doch sehr ungewohnt ruhige Töne angeschlagen. Vielleicht ein Vorgeschmack auf eine ganz andere musikalische Ausrichtung? Zumindest gewöhnte ich mich daran – Nach drei Mal hören sitzt der Song und wird nicht mehr geskippt. Vom Weirdnessfaktor her für mich etwa auf einem Level mit Spiders (We Are Not Your Kind, 2019).
- The Dying Song (Time to Sing): Meine liebste der im Vorfeld veröffentlichten Singles, das Ding habe ich in den Wochen vor Release des Albums rauf- und runtergehört. Der Refrain geht hart ins Ohr (definitiv nicht zum letzten Mal in dieser Playlist!) und der Rest ist auch schön druckvoll.
- The Chapeltown Rag: Einer der wenigen Songs in dieser Sammlung, der durchgängig das Gaspedal durchtritt. Hier geht es demnach wieder klassisch-aggressiver zu, fügt sich mit seiner konventionellen Art (vermutlich gerade deswegen) aber gut zwischen seine experimentellen Brüder ein.
- Yen: Wohlige Erinnerungen an Vermillion von Vol. 3 (The Subliminal Verses, 2004, in der Rückschau übrigens bei den Fans auch nicht gut wegekommen, diese Trottel) werden wach. Im Kontrast zu The Chapeltown Rag also auch irgendwie vertraut, aber auf eine neuere Weise. Funktioniert für mich gut.
- Hive Mind: Now we're talking! Der hier ist fürs Podest, da stimmt in meinem Ohr alles. Chef's kiss.
- Warranty: Auf der Härteskala irgendwo in der Mitte angesiedelt zeigt dieser Song mal wieder, dass Slipknot auch kräftigen Druck aufbauen kann ohne gleich aus dem Vollen schöpfen zu müssen. "Isn't this what you came here for?" Ja, schon. Hier gibts ein paar sehr coole Shouts.
- Medicine for the Dead: Mein persönliches Highlight des Albums, in meinem Kopf ist es irgendwie die logische Konsequenz nach Hive Mind, mir ist selbst nicht ganz klar warum. Ich bin recht dankbar, dass dieser Titel nicht vorab veröffentlicht wurde, so hatte ich noch ein richtiges Brett zu entdecken. Ich knie innerlich jedes Mal nieder.
- Acidic: Die enorme Fallhöhe zum Vorsong tut diesem hier nicht so gut, andererseits hat man an dieser Stelle Gelegenheit zum Runterkommen. Nicht so mein Fall, aber auch nicht zu wenig zum überspringen.
- Heirloom: Habe den Stone Sour-Song gefunden. Für mich kein Problem, da es sich hier um einen guten handelt.
- H377: Hell yeah, es geht gegen Ende nochmal so richtig rund. Meines Wissens nach ist das hier einer der beliebteren Songs unter den eher klassisch-orientierten Fans. Kann ich gut nachvollziehen, da sind wir mal einer Meinung.
- De Sade: Alles nochmal in einen Pott, kräftig umrühren und wir haben dieses starke Stück (sorry). Hier mag ich die Eskalationsspirale besonders.
- Finale: Okay, wow. Die von Adderall geöffnete, sanfte Klammer wird hier kunstvoll geschlossen und das Album mit einem sehr passenden Abschluss versehen. Was übrig bleibt: Ein ausdauernder Ohrwurm, damn.
Unterm Strich
war ich überrascht, wie schnell mich diese doch etwas andere Slipknot-Platte zu packen vermochte. Beim ersten Durchhören war ich noch bei "Was war das gerade?", beim zweiten war ich schon komplett an Bord. Ich begrüße die Experimentierfreude ausdrücklich und hoffe, dass wir noch mehr Werke dieser Gangart zu hören bekommen, bei welchem Label auch immer.