Mir sind Spiele, die aus ihrem eigenen Medium in die reale Welt übergreifen grundsätzlich sympathisch. Dazu zähle ich einerseits Games wie Elden Ring (From Software, 2022), bei denen Wikis, YouTube-Guides und die Community ein wichtiger Teil des Spiels sind, andererseits etwas weniger abstrakt auch sowas wie Keep Talking and Nobody Explodes (Steel Crate Games, 2015), in dem eigentlich nur ein Spieler am Gerät sitzt und die Bombe entschärfen muss, die Mitspieler halten idealerweise die ausgedruckte PDF-Anleitung in den Händen. Der Entschärfer muss den Experten unter Zeitdruck die Bombe beschreiben, welche daraufhin in dem Handbuch nachschlagen was zu tun ist. Eine supercoole Idee für ein Partyspiel.
Wer es auch gerne nerdig mag (wer tut das nicht?), dem kann ich auch Shenzhen I/O (Zachtronics, 2016) empfehlen. Dort schlüpft man in die Rolle eines Ingenieurs, der für eine chinesische Elektronikbude Geräte umsetzen soll. Beim ersten Auftrag handelt es sich beispielsweise um eine Überwachungskamera-Attrappe, deren Microcontroller man derart programmieren soll, dass die LEDs in bestimmten Mustern leuchten um eine echte Kamera zu simulieren. Als Hilfe, um nicht zu sagen notwendiges Arbeitsmaterial – Der Untertitel des Spiel lautet nicht umsonst "BUILD CIRCUITS. WRITE CODE. RTFM1." – wird auch hier dem Spieler ein PDF an die Hand gegeben, welches liebevoll gestaltet wirklich wie eine Sammlung von Datenblättern und Referenzen für chinesische Elektronikkomponenten und Boards wirkt.
Für das besonders authentische Feeling gibt es sogar Anregungen, welche konkreten Ordner und Trennblätter man sich für diese Anleitung besorgen könnte. Ich hätte das ja auch gerne möglichst nah am Vorschlag nachgebildet, doch die Anleitung ist im US Letter-Format gestaltet und unsere hiesigen Schreibwarenhändler führen meines Wissens nach keine Utensilien für diese Größe. Außerdem werden diese Artikel von Amazon US nicht nach Deutschland versandt. Und nein, das Ding einfach in A4 hinzustümpern wäre viel zu einfach und wenig befriedigend :p
Glücklicherweise bieten die Entwickler eine gedruckte und gebundene Version per Print on Demand an, und diese ist mit fünf Euro plus noch einmal fünf für den Versand sogar noch einigermaßen erschwinglich. Für sowas bin ich immer zu haben und musste nicht lange überlegen. Mir ist nicht ganz klar, warum der Versand aus Frankreich so lange gedauert hat, aber nach drei Wochen lag es gestern endlich im Briefkasten und ich könnte kaum zufriedener sein.
Dann kann ich mich jetzt endlich ganz stilecht diesem Puzzlespiel widmen und habe für später sogar noch einen Schmuckgegenstand fürs Regal.
Kurz für Read the fucking manual – Lies die verdammte Anleitung. ↩