Nachdem Shadow im Zuge einer Übernahme seine Preise verdoppelte (oder auf das ursprüngliche Niveau zurückbrachte), machte ich mich dort vom Acker. Beste Voraussetzungen, um sich ein wenig bei der Konkurrenz umzusehen.
Microsofts Xbox Cloud Gaming ist netterweise direkt von deren Game Pass Ultimate abgedeckt und funktioniert eigentlich auch ganz gut. Zumindest wenn man sich auf einem Windows-Rechner aufhält, respektive Chrome nutzt. Unter iOS bekomme ich nur unspielbare Latenzen und heftigste Diashows vorgesetzt. Unter Linux verhält es sich in Firefox noch schlimmer als im mobilen Safari, Chromium crasht direkt beim Aufruf der Seite. Schließlich hatte ich mit Googles Chrome (*seufz*) mehr Glück und es lief ordentlich. Bei Doom Eternal war eine deutlichere Latenz zu spüren als bei Sea of Thieves, die Bildqualität liegt gefühlt auf dem Level eines 720p-Videos auf YouTube.
GeForce Now hat mit seiner kostenfreien Basismitgliedschaft die niedrigste Einstiegsschwelle, dafür muss man seine eigenen Spiele mitbringen. Ich verknüpfe also meine Store-Accounts und lege los. Theoretisch. Erstmal werde ich mehrfach um die Passwörter für Steam gebeten. Die Eingabemaske unterstützt kein Kopieren und Einfügen, also muss ich mein zufällig generiertes Riesenpasswort mit der bloßen Faust eingeben. Nach mehreren Fehlversuchen (zusätzlich zur mehrfachen Abfrage, wohlgemerkt) bin ich so weit: Ich starte probehalber Far Cry 5 und laufe etwas durch die Botanik. Das Bild wirkt im Vergleich zum Xbox Cloud Gaming ein wenig klarer und es läuft flüssig, die Latenz ist gefühlt etwas größer als bei Shadow, befindet sich für mein Empfinden aber noch im brauchbaren Bereich. Angefixt möchte ich noch mehr Spiele ausprobieren, Control hängt jedoch in irgendeiner Update-Routine fest und lässt sich nicht zum Starten überreden, Cyberpunk 2077 scheitert schon an der Anmeldung bei GoG Galaxy. Schade.
Amazon Luna ist hierzulande weiterhin nicht verfügbar, bleibt noch Google Stadia. Ich bin ganz ehrlich, das große G ist mir ähnlich suspekt wie Facebook, aber wir wollen uns schließlich eine Übersicht verschaffen. Pflichtschuldig, was kann man von mir auch anderes erwarten, klicke ich mir einen Testmonat. Zwei Dinge fallen direkt auf: Die im Premiumabo enthaltenen Spiele sind mengenmäßig sehr dürftig (unter 30), wenigstens sind ein paar gute kleinere Titel dabei (zum Beispiel Moonlighter, Everspace und République), der Rest ist sehr bla. Zweitens: Aussehen und Handhabung sind unter allen Kandidaten sicherlich führend. Mein Xbox One-Controller unter Linux wurde sofort erkannt und ist ohne Mucken nutzbar, das Interface ist optisch ansprechend gestaltet und ist schön snappy. Obendrauf durfte ich auch noch Hitman (2016) meiner Bibliothek hinzufügen, die rollen mir ja geradezu den roten Teppich aus. Der technisch gute Eindruck setzt sich fort: Ich spiele das erste Level von Hitman flüssig, ohne Störungen und vor allem mit niedriger Verzögerung, einzig die Bildqualität ist subpar. Laut Einstellungen bietet mir der Dienst bis zu 1080p an (4K wird auf meinem Gerät nicht unterstützt), visuell gleicht es bei mir dem Streaming von Microsoft.
Den großen Sieger kann ich an dieser Stelle nicht küren, der technisch ausgereifteste Teilnehmer Stadia hat sich für das (für mich als Kunden jedenfalls) ungünstigste Geschäftsmodell entschieden, bei dem ich bei zehn Euro pro Monat meine Spiele noch zusätzlich kaufen muss. GeForce Now profitiert von meiner eigenen Spielebibliothek, schafft es leider nicht so recht mir diese auch reibungslos zugänglich zu machen. Vielleicht hatte ich auch nur Pech und in ein paar Tagen läuft es ohne Probleme. Xbox Cloud Streaming trumpft mit seiner Anbindung ans Konsolen-Ökosystem, daher sehe ich hier den Favoriten: Auch wenn viele Leute die Vorzüge des Streamings (noch) nicht nutzen, als Beifang in einem mehr umfassenden Abo ist es schon sehr attraktiv, besonders wenn man sich damit die Anschaffung einer Zweitkonsole im Haushalt sparen kann oder auf diese Weise einen günstigen Zugang bekommt, um mit seinen Xbox-Kollegen gemeinsam zu spielen ohne sich für mehrere hundert Euro eine Kiste in die Bude stellen zu müssen. Wenn es diese Funktionalität eines Tages auch auf die Konsolen selbst schafft, könnte man etwa einer altgedienten Xbox One neues Leben einhauchen, indem man darüber die neuen Titel der Series S/X-Generation (und vielleicht sogar darüber hinaus) streamt.
Letzten Endes muss ich dann aber doch einsehen, dass Shadow im direkten Vergleich selbst für 30 Euro im Monat immer noch ein attraktives Angebot ist – Die Bildqualität ist seitens der Konkurrenz unerreicht, technisch lief es meiner Erfahrung nach weitestgehend problemlos (und das trotz einer vollwertigen Windows-Installation um die es sich zu kümmern gilt!), zusätzlich es ist ungleich flexibler: Dort kann ich alle meine Spiele spielen, gänzlich unabhängig irgendwelcher Kompatibilitäten oder Vereinbarungen zwischen Entwicklern und Plattformbetreibern, ich kann es sogar abseits des Gamings für andere Dinge nutzen. Ganz wie einen PC eben.