Gelesen: Unbound Deathlord – Challenge

Ich bin ganz ehrlich, das war… eine Challenge. Wir treiben uns hier wieder in der dunklen Seitengasse der LitRPGs herum, also Bücher, die sich an klassische Computerrollenspiele anlehnen. Und zwar in jeder Hinsicht: Die Figuren bestreiten Quests, sammeln Erfahrungspunkte, planen ihre Charakterprogression anhand ihrer Skills und all das ganze andere schöne Zeug. Hier kam ich darauf bereits einmal zu sprechen. Heute befassen wir uns ein Wenig mit dem Auftakt der bisher drei Bücher umfassenden Progression Fantasy/LitRPG-Reihe Unbound Deathlord von Edward Castle.

Mittlerweile bezwang ich einige Bücher aus diesem Zweig und ich gebe zu, die Abnutzungserscheinungen gehen nicht spurlos an mir vorüber. Erfrischend wirkt der Eindruck, dass in diesem Fall das fiktive Spiel so dermaßen uneinladend (der Angelsachse würde unwelcoming sagen, was in seiner Konnotation eigentlich besser passt), bisweilen sogar arschig auftritt. Insbesondere NPCs und andere Spieler verdienen sich keine Bonuspunkte in Sachen Freundlichkeit. Man fühlt sich auf eine soziale Weise glatt an die Soulsbornes erinnert *hust*. Gleichzeitig hilft es mir mit der Hauptfigur mitzuleiden, während er sich durch diese spielgewordene Ablehnung durchschlägt. Ein Glück, dass ich dieses Spiel nicht selbst spielen muss.

Warum also Challenge? Erstmal ist das Ding deutlich länger als die allermeisten Bücher dieser Gattung, die ich bisher so las. Wir haben es hier in Printverhältnissen mit etwa 750 Seiten zu tun, was der Kurzweil wegen unterwegs erfreulicherweise gar nicht so auffällt. Nichtsdestotrotz muss man diese Masse erstmal hinter sich wälzen.

Leider verzockt das Buch nach hinten heraus zunehmend Teile meines Enthusiasmus. Nachteilige Assoziationen zu einem gewissen Ubisoft-Franchise mit Assassinen weckt die Rahmenhandlung der sich eigentlich hauptsächlich ingame abspielenden Ereignisse: Regelmäßig gibt es Flashbacks in das (frühere) Leben der Hauptfigur, die auf eine denkbar plumpe Art und Weise als eine bestimmte Art Charakter aufgebaut werden soll, was sich aber nur rudimentär in seinem Handeln wiederspiegelt. Hier wird mit der groben Rolle das Alpinaweiß auf die Wand geklatscht, wo eigentlich ein feiner Pinsel nötig gewesen wäre. Analog zu Assassin's Creed würde man hier nichts vermissen, wäre diese Überhandlung einfach weggelassen worden.

Das alles wäre in meinen Augen noch gar nicht so wild, als Freund des gepflegten Trashs hat man in dieser Hinwicht ein dickes Fell, wenn sich der Autor dann nicht dazu entschieden hätte, sich an dieser Metahandlung hoffnungslos zu verheben. Leider lehnt sich das Ende so stark in diese in meinen Augen viel zu konstruierte, animusartige Story hinein, dass ich für den zweiten Band schlimmes befürchte. Hoffentlich, das wünsche ich dem Autor und der Serie, kriegt Teil 2 dann noch einmal die Kurve und findet zu seiner eigentlichen Stärke – dem Spiel – zurück.

Um aber etwas positiver aus der Sache herauszugehen, sei an dieser Stelle noch lobend erwähnt, was hier im Gegensatz zu einigen anderen LitRPGs, die ich bisher so gelesen habe (Caveat: Unendlich viele waren es nun auch nicht, ich bin alles andere als ein Experte mit fundierter Kenntnis des Genres) hier erfreulich wenig mysogyner Unsinn verzapft wird. Anderen Autoren dieses Feldes könnte man leider viel zu oft mindestens unreflektiertes Machogehabe, im Extremfall sogar gezieltes Kokettieren mit Incel-Gedankengut unterstellen. So ganz ohne Sprüche kommt dieses Buch auch nicht aus, diese fallen aber – zumindest in meiner Erinnerung – alle in einem bewusst neckischen Kontext, wenn Figuren auf Augenhöhe miteinander herumfrotzeln.

Bei aller Kritik würde ich, dem ersten Eindruck nach, die Unbound Deathlord-Reihe dann aber doch der im oben verlinkten Beitrag genannten Reihe Chaos Seeds von Aleron Kong vorziehen. Einfach weil sich hier nicht für jeden Mist irgendeine abstruse Mechanik ausgedacht wird und das edgy Dudebro-Gehabe der Figuren nicht ansatzweise so stark ausgeprägt ist.