Gelesen: Der Astronaut

Es ist schwierig, über etwas zu schreiben, wenn man nicht viel verraten will. Meiner Meinung nach ist es für Der Astronaut (Original: Project Hail Mary) von Andy Weir (auch: Der Marsianer, 2011) wichtig, mit möglichst wenig Vorabwissen heranzugehen. Vertraut mir und blättert nicht in den Wikipedia-Artikel oder sonstwo rein. Bemühen wir doch einmal den Klappentext der deutschen Übersetzung, erschienen im Heyne Verlag, das muss dann auch genügen:

Als Ryland Grace erwacht, muss er feststellen, dass er ganz allein ist. Er ist anscheinend der einzige Überlebende einer Raumfahrtmission, Millionen Kilometer von zu Hause entfernt, auf einem Flug ins Tau-Ceti-Sternsystem. Aber was erwartet ihn dort? Und warum sind alle anderen Besatzungsmitglieder tot? Nach und nach dämmert es Grace, dass von seinem Überleben nicht nur die Mission, sondern die Zukunft der gesamten Erdbevölkerung abhängt.

Viel konkreter möchte ich auch gar nicht auf den Plot eingehen, denn ungefähr ab der 10 %-Marke passieren Dinge, die man für den bestmöglichen Effekt lieber selbst erlebt (erliest?). Ich kann aber einen vorsichtigen Versuch unternehmen, zu beschreiben was mich daran so fasziniert.

Zunächst einmal – und ich beziehe mich hier auf die deutsche Übersetzung von Jürgen Langowski – ist es sehr launig und unterhaltsam geschrieben. Es ist pures, destilliertes Lesevergnügen, die Seiten blättern sich praktisch von selbst. Man möchte nur kurz reinlesen und kommt erst nach zwei Stunden wieder zu sich. Mir ist dieser Begriff normalerweise zu superlativig, aber die "brilliant"-Karte würde ich in diesem Fall guten Gewissens ziehen, selbst wenn gelegentlich noch englische Ausdrucksweisen in der Übersetzung durchscheinen, andererseits trägt sowas auch irgendwie zur lockeren Atmosphäre bei.

Mitverantwortlich für diesen Sog ist die sehr schöne Balance zwischen Zugänglichkeit und wissenschaftlichen Erläuterungen, die selbst für Chemie- und Physikunterricht-Verschläfer (wie mich) aufschlussreich sind und so nebenbei Wissenslücken zu schließen vermögen, die der langweilige Unterricht damals in der Schulzeit offenließ (hätte man doch nur Bücher wie dieses gelesen, es wäre so viel mehr hängen geblieben). Zu keiner Zeit kam es mir langatmig oder trocken vor. An zwei, drei Stellen jedoch halfen mir nur meine unzähligen in Kerbel Space Program versenkten Stunden mit Raumfahrt-Fachbegriffen weiter, ich kann mir gut vorstellen dass für andere Leser eine knappe Erläuterung hilfreich gewesen wäre.

Besonders beeindruckt war ich davon, dass alle Ereignisse in diesem Buch so dermaßen natürlich aufeinander aufbauen, dass man denken könnte man wäre an eine Dokumentation geraten. Andy Weir ist es gelungen, dass er jede Wendung und jede Problemlösung logisch aus der Vergangenheit herleitet, ohne irgendwelche Zufälle oder Deus ex Machinas (nein, Duden, den Plural Dei ex Machina akzeptiere ich nicht!) bemühen zu müssen. Dinge, die gegen Ende aus der Patsche helfen, wurden zu Beginn zu einem anderen Zweck sorgsam eingeführt. Jedes Teilstück macht absolut Sinn und lässt keinen Raum für Lücken, ich als Leser erlebe gemeinsam mit den handelnden Figuren den einen oder anderen Heureka-Moment, was in meinen Augen eine beachtliche Leistung ist. Alles ist aus einem Guss und greift ruckelfrei ineinander, was die Geschichte bis zur letzten Seite fesselnd macht.

Ich kann mir gut vorstellen, dieses Werk in Zukunft, mit etwas zeitlichem Abstand, zu meinen Lieblingsbüchern zu zählen. Nehmt es euch auf jeden Fall vor. Am besten bevor die Verfilmung erscheint, die garantiert direkt im Trailer einige Wendungen, die ich hier ausgelassen habe (zu denen ich echt gerne auch etwas sagen würde…), gnadenlos spoilert.