Ich habe seit Veröffentlichung locker eine mittlere dreistellige Anzahl Stunden in Sea of Thieves versenkt. Nach einem ausgedehnten Landgang habe ich das neue Fluch der Karibik-Crossover zum Anlass genommen, erneut die Segel zu setzen. Yo, Ho haul together, hoist the colours high…
Die erste von insgesamt fünf Missionen ("Tall Tales") ist als Auftakt eine recht atmosphärische, unterhaltsame Tour im Stile einer Vergnügungspark-Attraktion, was laut Previews auch alles andere als ein Zufall ist, da man hier wohl viele Elemente aus der ursprünglichen Disneyworld-Themenwelt übernahm. Inwiefern das gelungen ist kann ich nur eingeschränkt beurteilen, da ich, wie vermutlich auch die überwiegende Mehrheit der anderen Spieler, das Original nicht persönlich kenne. Ob dort das DEAD. MEN. TELL. NO. TALES. ebenfalls so oft eingespielt wurde, dass man daraus locker ein Trinkspiel machen könnte? Der Klabautermann wird es wissen.
In der zweiten Tall Tale macht sich das Gastfranchise deutlich rarer. Dieses tauscht sich gegen ein Unterwasserlevel (Buh!) und jede Menge Bugs ein, die unser Vorankommen sehr erschwerten. Nach zwei Abenden und locker sechs Versuchen waren wir dann endlich mit dieser ~Tortuga~ Tortur durch. Schade, hier nimmt sich das Spiel selbst den Wind aus den Segeln.
Geschichte drei wiederum kommt wieder richtig gut, die rigide geführten Abschnitte stehen der Kampagne sehr viel besser zu Gesicht, auch der Markenbezug nimmt hier wieder seinen Platz am Ruder ein. Ohne zu viel zu verraten, ist hier die für dieses Spiel frische und schön umgesetzte Kulisse das Highlight. Davon hätte ich in Zukunft gerne mehr.
Kapitel vier vereint alle Eigenschaften der vorherigen, im Guten wie im Schlechten. Immerhin sind wir von groben Bugs gänzlich verschont geblieben, was dieses Unterfangen zu einer entspannten Fahrt durch ruhige Gewässer machte. Erwähnenswert: Der Kampf am Ende ist etwas langestreckt, was durch kleinere Auflockerungen zu Glück aber keinen allzu faden Beigeschmack hinterlässt.
Das Finale spielt sich hauptsächlich bei gelichtetem Anker ab, die sich daraus ergebende Seeschchlacht stellt so ziemlich alles dar, was sich der erfahrene Sea of Thieves-Pirat schon immer wünschte: Jede Menge Schiffe in einem chaotischen Kanonenkugelhagel. Zu Lande kreuzte man die Säbel bis hierhin oft genug, das fehlende letzte Duell mit dem Bösewicht wiegt daher nicht sonderlich schwer, obwohl dieses eigentlich dramaturgisch aufgebaut wird, nur um im letzen Moment dann doch generische Geisterpiraten erscheinen zu lassen.
In der Nachbetrachtung, so gut das Konzept von geführten Storymissionen das Spiel abrundet, desto klarer werden die Defizite im Gameplay. Dasselbe Rätsel (wenn man es denn so nennen kann) wird viel zu oft wiederholt, und gerade den Bosskämpfen mangelt es einerseits an Taktik und Finesse, andererseits an Trefferfeedback. Glücklicherweise macht kooperatives Spielen alles besser und verhindert das Kentern bei derartigen Durchhängern.
Etwas Schulterzuckend stehe ich dem Crossover-Konzept gegenüber. Sea of Thieves ist an sich bereits stark und spaßig genug, das im Kielwasser einer weiteren Marke fahren hätte es nicht nötig und wirkt fast wie ein Gefallen in Richtung Disney. Zwar weiß ich die fantastische Fluch der Karibik-Musik sehr zu schätzen und freue mich über die bekannten Schiffe und Charaktere, aber der Spaß hätte nicht die Segel gestrichen, wäre man mit einem gerade so nicht-copyright-verletzenden Spack Jarrow zur See gefahren.1
Nichtsdestotrotz haben wir mit A Pirate's Life eine sehr nette, und nicht zu vergessen kostenlose, Erweiterung für unser aller liebsten Grogsuffsimulator bekommen. Von mir gibt es auf jeden Fall eine Hakenhand hoch, umschiffen ist nicht notwendig.
Fist bump geht raus an Alice Bell bei Rock Paper Shotgun, die ähnliche Gedanken ausführlicher darlegte. ↩