Anhörung: Slipknot – We Are Not Your Kind

Nach vier Jahren lieferten Slipknot die Tage ihren sechsten Langspieler ab. Seit dem Vorgänger .5: The Gray Chapter von 2014 hat es nach dem Rauswurf von Perkussionisten Chris Fehn eine weitere personelle Änderung in der Bandzusammensetzung ergeben, von der ich nicht wirklich sagen kann ob und wie sie einen Einfluss auf das fertige Album hatte. Sänger Corey Taylor jedenfalls ließ sich dazu hinreißen zu behaupten, die neue Scheibe erreiche die Härte ihres nun 18 Jahre altes Zweitwerks Iowa. Zur Einordnung: Iowa gilt unter Fans und Kritikern als eines der härtesten, wütendsten und allgemein heftigsten Alben der frühen 2000er. Dementsprechend ist es populär und in den Augen vieler auf einem Podest von legendärer Aura umhüllt stehend. Mal hören ob Mr. Taylor übertrieben hat:

  1. Insert Coin: Das obligatorische Intro, wie gewohnt bestehend aus Stimmfetzen, Störgeräuschen, Samples und musikähnlichen Strukturen. Die Stimmung ist gesetzt, jetzt geht es richtig los.

  2. Unsainted: Beginnt für die Band relativ untypisch und unscheinbar mit einem Chor, in den Taylor mit seinem gut anhörbaren Cleangesang einsteigt, bis letztendlich musikalisch die Bremsen gelockert und eine härtere und damit gewohntere Gangart eingelegt wird. Ein gut gewählter Opener für das Album.

  3. Birth of the Cruel: Zu Beginn verspüre ich Vermillion-Vibes, danach wird es zwar deutlich weniger Gefühlvoll, aber wir haben es hier trotzdem eher mit dem mittleren Abschnitt der Slipknot'schen Härteskala zu tun. Ist gut, kann man machen.

  4. Death Because of Death: Von seiner Art her eher ein Zwischenstück im Stile des Albumintros. Oder auch als Into des nächsten Songs zu verstehen…

  5. Nero Forte: …denn hier geht es deutlich zügiger zur Sache. Jetzt klingt es schon ziemlich nach den früheren Stücken der Band, zwischendurch von einem gut ins Ohr gehenden Refrain abgesteckt. Meines Eindrucks nach eins der Highlights für die Fans, nicht zu unrecht.

  6. Critical Darling: Im Wesentlichen gilt das gleiche wie eben, aber mit mehr Eskalation und gefühlvollerem Refrain. Die bohrenden Gitarren sind super, aber ein kleiner Punktabzug dafür, dass das Lied nach 4/5teln eigentlich sein Ende erreicht und ein atmosphärisches Into für den nächsten Song angehängt ist.

  7. A Liar's Funeral: Erinnert in seinen ruhigen Momenten an All Hope Is Gones Snuff. In den weniger ruhigen Momenten ist es ziemlich, äh, wütend und walzt sich dementsprechend durch seine Spielzeit.

  8. Red Flag: Klingt gelegentlich nach Mick Gordons Rip and Tear aus dem Soundtrack zum 2016er Doom, was ziemlich cool ist. Schnell, treibend und agressiv, so muss es sein.

  9. What's Next: Ein diesmal vor sich hin bimmelndes Intermezzo. Schön, um mal kurz luft zu holen.

  10. Spiders: Das Klavier im Titelsong von Halloween? Der Rest ist im Stil von Danger – Keep Away vom dritten Langspieler Vol. 3: (The Subliminal Verses) gehalten. Gefiel mir erst nach mehrfachem Hören. Super verdreht und nach seiner Inkubationszeit mit deutlichem Ohrwurmpotenzial.

  11. Orphan: Im Gitarrenspiel blitzt gelegentlich etwas Psychosocial durch. Ansonsten: Schnelle Doublebass und drückende Gitarren. Könnte auch (vielleicht bis auf den clean gesungenen Refrain) direkt von All Hope Is Gone stammen.

  12. My Pain: Noch bimmelnder als What's Next und noch verdrehter als Spiders. Ich empfinde es als völlig unpassend und doch fügt es sich hervorragend in das Gesamtbild ein. Also gut, schätze ich?

  13. Not Long for This World: Dieses Exemplar klingt für mich nach dem dritten Album. Erneut ein eher mittelharter Song, der zunächst unauffällig daherkommt, etwa ab der Mitte seine Stärke entdeckt nur um dann direkt wieder abzuflachen und zum Schluss ehrfürchtig für das folgende Finale beiseite tritt.

  14. Solway Firth hat es in sich und steht völlig zu Recht am Ende der Tracklist. Zu Beginn bei Insert Coin bereits angedeutet, schließt dieser Song die große Klammer dieses Albums souverän und lässt mich äußerst zufrieden zurück. Applaus, Vorhang runter.


Unterm Strich

gefällt mir das Album. Corey Taylor hatte meiner Meinung nach Recht, wenn er sagte dass die Härte eines Iowa erreicht wird, jedoch versäumte er den Hinweis dass diese Härte nicht durchgängig gehalten wird – was natürlich nicht schlecht sein muss, bei einigen Fans aber für etwas andere Erwartungen sorgte. Wo für mich der Vergleich zum früheren Werk tatsächlich viel angemessener scheint, ist vor allem der Sound der Platte, der mich sehr an die Zeit vor dem dritten Album erinnert.

Witzigerweise war mir persönlich der Klang der ersten beiden Sammlungen schon immer viel zu dünn (besonders das Schlagzeug betreffend), aber hier kann ich mich gut damit anfreunden, was vielleicht auch daran liegt dass hier statt eines andauernden Wutausbruchs auch reichlich gemächlichere Passagen zu hören sind.

Ich vergebe 8 von 9 Maden und nehme We Are Not Your Kind in meine persönlichen Slipknot-Top 3 neben All Hope Is Gone und .5: The Gray Chapter auf.